Der Fall der geklauten Noten

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Wie beim März MTA im Opernhaus zu Rockenbach alles anders kam…

Außen fegte ein kalter Wind durch die Gassen von Rockenbach, der war Himmel dunkel und bewölkt, ein leichter Regen fiel in die Pfützen. Doch in der Mitte des Dorfes strahlten die Lichter des Opernhauses auf die Straße hinaus. Schwere rote Vorhänge und Kronleuchter empfingen die Eintretenden, die nach und nach den Weg nach Rockenbach fanden.

 

Die Mitglieder des Opernchores eilten nach einem schnellen Abendessen sofort in den Opernsaal, wo noch einige letzte Proben des großen Werkes, welches zwei Tage später uraufgeführt werden sollte, stattzufinden hatten. Nach dem Einsingen saßen alle vorbildlich wie immer in Reih und Glied, als plötzlich die Chorleiterin mit einem markerschütternden Schrei aus der Nebenkammer stürmte: Die Noten! Sie sind gestohlen worden! Chaos und wildes Durcheinanderrufen folgte, sodass niemand bemerkte, wie sich von außen jemand an die Türen des Opernsaals heranschlich. Auf leisen Sohlen kniete die mysteriöse Gestalt nieder, schob einen Brief unter dem Schlitz durch und verschwand, bevor es den aufgebrachten Mitgliedern des Opernchores auffallen konnte.

Doch lange dauerte es nicht, da entdeckte ein aufmerksamer Sopran die Botschaft. Sie stammte doch tatsächlich von jenem hinterlistigen Dieb, der die Noten für die Premiere gestohlen hatte! Und allem Anschein nach waren die Chancen, dass der Opernchor diese rechtzeitig zurückbekommen sollte, nicht gerade groß. Der ganzen Abend lang zerbrach man sich die Köpfe, was nun zu tun war, und niemand einen sinnvollen Plan hervorbrachte, wurde zur Zerstreuung noch ein wenig gespielt - und, da es sich um einen Chor handelte, natürlich auch gesungen.

Den nächsten Tag verbrachte der eifrige Chor größtenteils mit intensivem Proben für die kommende Premiere. Wenn Sie schon keine Noten hatten, dann mussten sie eben mehr üben – und zum Glück hatte die Chorleiterin ein ausgezeichnetes musisches Gedächtnis sowie ein gewisses Talent zur Improvisation. Zwischenzeitlich gönnten sich alle ein stärkendes Mittagessen, nur um wohlgenährt und wohlriechend in den Probensaal zurückkehren zu können. Gegen Nachmittag meldete sich jedoch überraschenderweise noch einmal der Notendieb zu Wort! Er hatte dem Chor verschiedene Musikrätsel hinterlassen, die nun eilends gelöst wurden, um den Gauner womöglich doch noch dazu zu bewegen, die Partitur zurückzubringen. Doch obwohl mit vereinten Kräften bald fast alle Fragen beantwortet waren, zeigte sich der Dieb nicht.

Doch wie allseits bekannt ist, sollte man sich am Abend vor einem großen Auftritt keine Gedanken über diesen machen – es ändert doch eh nichts. Also bauten sich die vom langen Proben ermüdeten Chormitglieder auf dem Dachboden des Opernhauses eine Oase der Entspannung, in Ausführung und Gemütlichkeit einer Jurte nachempfunden. Zufällig waren nämlich alle Chorsänger in ihrem zweiten Leben Pfadfinder, dies sei aber eine andere Geschichte. Nun ließen sie mit frohen Liedern, Tschai und Spielen den aufregenden Tag ausklingen und dachten ganz fest nicht an die bevorstehende Uraufführung.

Am nächsten Morgen war alle Ruhe wie weggeblasen. Den Vormittag vor der Premiere verbrachte der Chor im Probensaal, um sich doch noch so gut wie möglich – ohne Noten – auf die Uraufführung vorbereiten zu können. Die Uhren tickten, die Premiere rückte immer näher, die Anspannung und Unsicherheit unter den Chorsängern wuchs. Wie sollte die Aufführung je ohne Partitur gelingen? So entschloss man sich, ein letztes Mal zu versuchen, den Dieb ausfindig zu machen. Dafür zogen sich alle in einen stillen Raum zurück, bemühten sich, ruhig zu werden. Eine begabte Sopransängerin leitete eine Entspannungsübung an, um die Gedanken noch mehr fokussieren zu können. So ließen alle ihren Erinnerungen an die letzen Tage freien Lauf, versuchten, sich auf alle kleinen Details zu konzentrieren, sich ein Bild des Diebes vor Augen zu rufen, die Augen schwer von der Anstrengung der vergangenen Tage, Schläfrichkeit tropfte durch den Raum und

„LOS! AUFSTEHEN! LOS LOS LOS! DIE PREMIERE BEGINNT GLEICH! NA WAS LIEGT IHR HIER DENN SO RUM! IHR HABT DOCH JETZT SCHON TAGELANG GESCHLAFEN!“

Wie vom Donner gerührt fuhren die Chormitglieder auf. Das konnte doch nicht sein! Sie hatten die letzten Tage nur erträumt! Die Noten waren nie gestohlen worden, es gab keinen mysteriösen Dieb, sie hatten bloß einen wirren Alptraum  gehabt. Nun aber auf zur Uraufführung der großen Oper!

Der Saal erstrahlte in glänzendem Licht, die roten Vorhänge umrandeten die glücklichen Sänger. Das Publikum erzitterte in sprachloser Bewunderung des dargebotenen Talents – und schon bald brandete tosender Applaus durch die Reihen der Zuhörer und hinaus durch die Fenster des Opernsaals in die laue Luft des kleinen Dorfes Rockenbach.